Kapitel I


 Der Morgen verging sehr schnell.  Es war nun schon einen Monat her, dass Vadim Stelyr 16 Jahre alt war.
Als es Vormittag wurde, ging er in die Fabrik seines Vaters. Vadim war ein extrem eigenbrötlerischer Mensch, daher weigerte er sich auch schon seit er von seinem Vater gezwungen wurde, dort zu arbeiten, pünktlich in der Fabrik zu erscheinen. Niemand wusste den genauen Grund dazu, doch es bestand der Verdacht, dass er nicht von Anfang an zu arbeiten vermochte, weil die Fabrik kurz davor war, pleite zu gehen und die Arbeitskräfte unter sehr schlechten Bedingungen ihre Aufgabe taten. Die Fabrik produzierte Küchengerätschaft, ihre Konkurrenz war ihr jedoch immer voraus. 

Heimlich und unbemerkt verließ Vadim seinen Posten und schlich unauffälliig durch die Fabrik. Er musste nicht sehr darauf achten, keinen Lärm zu machen, denn die Geräusche der Fabrik übertönten seine Schritte ohnehin, stattdessen musste er vielmehr aufpassen, nicht von seinem Vater, dem Direktor, gesehen zu werden. Vadim schaute sich um. Es schien ihn niemand bemerkt zu haben.
Er versteckte sich hinter einer frei stehenden Maschine und ging noch ein mal sicher, dass auch wirklich niemand ihn sehen konnte. Als er sich vergewissert hatte, lehnte er sich gegen die Maschine. Bei der nächstbesten Gelegenheit würde Vadim versuchen, aus der Fabrik herauszukommen. Aber jetzt würde er erst ein mal den Schlaf nachholen, den er in der Nacht verpasst hatte. In der Nacht hatten aus der Fabrik laute Geräusche gedröhnt. 
 
Vadim zuckte zusammen.
"Oh, entschuldigung", hörte er eine hohe Stimme sagen. Es war die Stimme von Ilona Szabados, sie arbeitete auch in der Fabrik seines Vaters. "Was ist passiert?", schrie Vadim panisch. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie er eingeschlafen war und  völlig vergessen, dass er sich das aber auch vorgenommen hatte.
Ilona legte den Zeigefinger an den Mund. "Schreien Sie doch nicht so, so machen Sie doch auf sich aufmerksam! Oder wollen Sie etwa entdeckt werden?", fragte sie spitz.
"Natürlich werde ich nicht schreien! Und wehe ihnen, wenn Sie mich verraten! Aber woher wissen Sie überhaupt, dass ich nicht gesehen werden darf?", konterte Vadim im Flüsterton. Als sie sich schon von ihm abwandte, sagte Szabados noch: "Warum sonst hätten Sie sich hinter meiner Maschine versteckt?!"
"Weil ich Lust hätte", murmelte Vadim und suchte sich schnell ein anderes Versteck.
Sein Blick blieb an Ilona Szabados haften. Zuerst war er kritisch, doch mit jeder verstreichenden Sekunde betrachtete Vadim Ilona duch immer neutralere Augen. Schließlich fiel ihm vor allem ihre hinter schmutzigen Klamotten verborgene Schönheit auf. Ilonas Gesicht war hell und Oval, ihre Augenbrauen hatten eine sich nach oben von dem Augen weg biegende Form und waren dank ihrer hellen Farbe nicht hevorstechend. Ilonas Nase war sehr markant und stach aus ihrem Gesicht, welches Vadims Bewunderung für ihr Aussehen jedoch nicht verminderte. Mit nur knappem Abstand zu ihrer Nase war nun der nächste Punkt, den sich Vadim vorknöpfte, Ilonas Mund. Ihre Lippen waren nicht voll, man konnte sie jedoch durchaus auch nicht als schmal bezeichnen. Sie erstreckten sich nicht sehr weit, z.B. über den halben Kopf.
Ilonas Figur war kräftig. 

Inzwischen hatte sich ein Arbeiter hinter Vadim gestellt.
Der räusperte sich demonstrativ laut und schimpfte dann mit seiner Bassstimme: "Warum versperren Sie meine Maschine, anstatt zu tun, was ihnen vom Herrn Direktor gesagt wird, der werte Herr?"
Vadim klopfte sich eilig den Staub von der Hose und suchte sich schnellstmöglich ein anderes Versteck. Er würde eines bevorzugen, von dem aus er Ilona gut weiter beobachten konnte.
Als er schließlich ein sicheres Versteck für die nächste Zeit gefunden hatte, setzte sich Vadim hin.
 Die junge Szabados zu beobachten, war ein sehr seltsames Habit, das musste er sich schon eingestehen. Trotzdem, was war falsch daran? Vadim setzte seine Beobachtung fort. Unbemerkt.

Nach einiger Zeit, in der er nur mit den Augen tätig gewesen war, stand plötzlich sein Vater hinter ihm.
"Va-dim! Wie oft muss ich dir das denn noch sagen?! Jetzt arbeite gefälligst!", polterte dieser. Ilona drehte sich dem Geschehen zu.
"Gewiss, das hast du mir schon oft genug gesagt.", beschwichtigte ihn Vadim. Sein Vater bewegte sich langsam davon, ohne Vadim aus den Augen zu lassen. Der sah ihm hinterher. Er wartete ab, bis sein Vater nicht mehr zu sehen war. 
Dann ging er zu Ilona Szabados und schubste sie zu Boden, um ihre Arbeit zu übernehmen. Die Menschen um ihn und Ilona herum durchbohrten ihn mit misstrauischen Blicken und schienen zu sagen: Warum hat dieser Verrückte das getan?!
Ilona rappelte sich wieder auf. Sie warf Vadim einen verständnislosen Blick zu und bewegte sich zu einem leerstehenden Gerät in der Nähe, das sie betätigte. Viele Schaulustige folgten ihr, andere blieben bei Vadim und starrten ihn an, verfassten förmliche Protokolle über seine (je nach Ansicht) Un- oder Wohltat oder schmähten und schlugen ihn.
Als Vadims Vater, der Herr Direktor, sichtbar wurde, verstummten alle wieder und gingen unterwürfig ihrer Arbeit nach.
Am Nachmittag wurde weiter pausenlos gearbeitet. Erst um 20:00 Uhr war es so weit, als die große Glocke läutete und den Feierabend verkündete.
Vadim streifte noch ein wenig durch die Fabrik. Er wollte sich nach einem geeigneten Versteck für die nächsten Tage umsehen, natürlich unter dem Bedacht, dass es sich bei einem solchen Versteck im Optimalfall um keine Maschine, sondern um ein anderes sperriges Gerät handeln sollte.
Plötzlich ertönte wieder das wohlbekannte Lärmen einer Maschine. Vadim bewegte sich in die Richtung, aus der er das Geräusch vernahm. 
Angekommen bei der Maschine sah er Ilona.
"Warum...", stotterte er.
Ilona beendete seinen Satz mit ihrer sonoren Stimme: "...arbeiten Sie noch? Es ist so... Wollen Sie es wirklich wissen?"
"Natürlich! Also reden Sie schon, heute ist zumindest ein mal der Tag, oder eher die Nacht, in der man keine Überstunden machen muss, und Sie daher ebensowenig wie alle anderen!" 
Ilona sah zu Boden. Vadim kniete sich vor ihr hin. In ihrem Blick erkannte er Angst, Angst, die Wahrheit zu sagen.
"Sagen Sie schon!", drängte Vadim Ilona schließlich.
"Die Fabrik wird kapitulieren. Ich... sollte dieses Endstadium nicht durch mangelnde Tat voranbringen.", erklärte Ilona ihm mit brüchig gewordener Stimme. 
Vadim schwieg.
Mit einem Mal drehte sich Ilona wieder zu der Maschine um und betätigte sie. Vadim richtete sich wieder auf und stellte sich neben sie. 
 
Die Zeit verstrich, Stunde um Stunde verging, während Vadim und Ilona nichts anderes taten, als das, was sie vor Stunden begonnen hatten, zu tun.
Plötzlich sackte Ilona ab und fiel in das Gerät. Schleunigst stoppte Vadim die Maschine. Dann zog er Ilona an der Schnürschnur ihres Mieders nach oben. Da das Baumwolloberteil abrupt gerissen war, als sie in die Maschine stürzte, gab es keine andere Möglichkeit. Er trug sie zu einer Bank auf dem Innenhof der Fabrik, wo er sie schließlich ablud.
Er setzte sich neben sie. Wieso lief er eigentlich nicht einfach davon? Genau wusste es Vadim nicht, doch die Wahrscheinlichkeit bestand, dass er nicht feige genug war, um sich einfach aus dem Staub zu machen. Im übrigen bestand auch noch eine andere, höchstwahrscheinliche Möglichkeit.
Vadim sah zu Ilona herab. Ihre blasse Haut wirkte auf ein mal fahl, ihre Augen waren geschlossen. Ilona lebte... einen leblosen Zustand. Vadim wusste genau, dass sie lebte, dass es ihr gut ging und dass sie materiell neben ihm lag, jedoch hatte er dennoch Todesangst.
Es waren Sekunden schreiender Stille.
Mit einem Mal kam wieder Leben in Ilona. Erst regte sie sich nur einige Zentimeter, dann stand sie vollkommen auf.
"Vielen Dank", sagte sie und schaute auf ihre zerrissene Kleidung herab. Schmutzig und zerrissen, wie sie seit Jahren zu sein pflegte und es jeden Tag ein Stück mehr wurde. Schmutzig und zerrissen, wie Vadim sie noch nie so gesehen hatte. Es war die bittere Realität, die Ilona trug, schmutzig, zerrissen und zerfetzt. Vadim wusste nicht recht, was er tun sollte. Denn er konnte nicht ahnen, was Ilona als nächstes tun würde, sie, wie sie ästethische, immense Person diese zerrissene Wahrheit trug. Er stand ebenfalls wie sie vor einer Weile auf, setzte sich aber kurz darauf wieder hin. Ilona stand da, vor ihm und schaute zu ihm, dann auf ihre Füße, dann wieder zu ihm. Vadim wusste nicht, was sie damit andeuten wollte. Kurz sah Ilona sich um, dann schaute sie ihm in die Augen... und senkte den Blick auch wieder.
"Wollen Sie mir irgendetwas sagen?", fragte Vadim schließlich. Er unterdrückte seine Anspannung so gut er es konnte.
Ilona starrte auf ihre Füße. Sie machte einen Schritt auf ihn zu. Sie lächelte entschuldigend. Dann drehte sie sich von ihm weg und entfernte sich in Richtung Fabrik.
Vadim stand auf. Er wollte etwas sagen, doch er schloss den Mund wieder. Er setzte sich wieder hin. Doch dann riss er sich zusammen und rief: "Warten Sie!"
Doch Ilona verschwand bereits im Fabrikgebäude. In der Tür drehte sie sich noch ein Mal zu ihm um, dann war nur noch ihr Schatten zu sehen. Und auch dieser verschwand.
Vadim konnte wieder den Lärm einer Maschine vernehmen. Er sprang auf. Er rannte ihr hinterher.
"Warum wollen Sie mich denn so dringend an meinem Vorhaben hindern?", fragte Ilona ihn plötzlich. In ihrer Stimme lag ein schneidender Unterton.
Doch Vadim beantwortete ihre Frage nicht. Stattdessen entgegnete er mit einer Gegenfrage: "Warum haben Sie dieses... dämliche Vorhaben denn überhaupt? Sie allein können doch gar nichts bewirken! Ihr dämliches Vorhaben raubt Ihnen doch bloß ihre beste Zeit! Sie werden sich hier totarbeiten!"
"Da mag ich meine Zweifel haben, der Herr! Aber wenn Sie so meinen... Ich will ihnen ja nichts sagen" Und Ilona wandte sich wieder von Vadim ab.
"Sie... Sie können so aber nicht weitermachen!"
"Lassen Sie mich in Frieden!"
"Habe ich einen Grund dazu?"
"Nun hören Sie endlich auf! Gehen Sie!"
"... Wenn Sie so wünschen..." Vadim setzte sich seinen Hut auf und wandte sich ab. Mit großen Schritten lief er bis zu der Tür, doch dort blieb er stehen.
Er ging in die Hocke. Ungesehen huschte er wieder in das Gebäude. Wenn Ilona sich wieder einen Schwächeanfall verschaffen würde, würde Vadim sie wieder retten.

So geschah es.
Und wieder trug Vadim sie zu der Bank im Innenhof.
Ilona war nicht bewusstlos, doch sie rang nach Luft. Sie griff nach Vadims Arm, um Halt zu finden. Dieser tat so, als würde er kein Mitleid verspüren. Vadim straffte seinen Rücken und verfinsterte seine Miene. Er räusperte sich. "Sie dürfen so nicht weitermachen! Ich verbiete es Ihnen! Dazu habe ich das Recht, weil der Direktor der Fabrik mein Vater ist! Sie können das Verbot nicht aufheben!", sagte er mit vorwurfsvoller Stimme.
Ilona drehte sich von ihm weg und schaute zu Boden.
"Ich rechne mit Haltung! Schauen Sie nicht deprimiert!", befahl Vadim, denn er konnte solche Blicke bei Ilona nicht mehr ertragen.
Ilona starrte ihn finster an. Sie erhob sich.
"Sie werden doch jetzt nicht wieder zur Fabrik gehen, obwohl ich es Ihnen verboten habe?!", rief Vadim.
"Nein, das tue ich nicht! Denn jetzt gehe ich nach Hause! Wiedersehen!" Und Ilona marschierte davon.
Ihr spitzer Tonfall missfiel Vadim. "Halten Sie an!", ordnete er panisch an.
"Wieso?", fragte Ilona. Trotzdem tat sie, was er sagte und hielt inne.
"Warum haben Sie es so eilig?", fragte Vadim und kaute unsicher an seinen Fingernägeln, was Ilona zum Glück nicht sehen konnte, da sie mit dem Rücken zu ihm stand.
"Ich habe es ganz und gar nicht eilig, mein Herr. Ich habe mir in der Tat sogar schon sehr viel Zeit für Sie genommen. Doch jetzt: Leben Sie wohl!" Ilona verschwand.
Vadim sah ihr hinterher.
Die Zeit verging und schließlich dämmerte der Morgen. Das Licht der Sterne erlosch und das der Sonne erhellte den Himmel.
Die Bank auf dem Innenhof war leer. 
Von neuem begannen die Maschninen zu lärmen.
Es schien, als wäre alles in der Nacht geschehene nie gewesen.
Und auch alles, was an diesem Tag in der Fabrik passierte, verblasste. Denn auch dieser Arbeitstag war gewesen wie die anderen, die alle bereits verblasst waren. 
Als endlich das vertraute Klingen der Glocke ertönte, leerte sich die Fabrik und die harte Arbeit, die auch heute geleistet wurde, wurde von den spätabendlichen Winden verweht.
Vadim war einer der letzten, die das Gebäude verließen. Er durchschritt das Tor zum Innenhof, wo er sich schließlich auf die Bank setzte, auf der er auch in der letzten Nacht gesessen hatte.
Als Ilona aus der Fabrik trat, stand Vadim auf. Er öffnete seinen Mund, um nach ihr zu rufen, aber er wusste ja ihren Nachnamen nicht. Er schloss den Mund wieder und setzte sich hin.
Doch Ilona hatte ihn bemerkt, obwohl er keinen Laut von sich gegeben hatte. Sie lächelte und blieb kurz stehen. Vadim sprang auf, um auf sie zuzulaufen, doch er zügelte sich und setzte sich wieder hin.
Ilona hob die Augenbrauen und machte Anstalten, weiterzugehen.
Vadim hielt das nicht mehr aus. Er rannte zu ihr. 
Inzwischen war es vollkommen dunkel.
 
Der nächste Tag glich wieder dem vorigen, mit der Ausnahme, dass heute sein Vater auf Vadim zukam, als die Glocke läutete. Er fragte ihn, ob er verliebt sei.
Vadim schluckte. Doch sein Vater brachte ihn zum reden. Schließlich forderte er Vadim auf, Ilona einen Blumenstrauß zu verehren. Vadim gehorchte. 
Am nächsten Tag schwänzte er die Arbeit. Es war ihm gleichgültig, ob er gekündigt wurde oder nicht. Vadim holte den Strauß. Er machte sich auf den Weg zu dem Haus, wo Ilona wohnte, denn er kannte den Weg, seit zwei Tage vergangen waren.
Vor der Haustür hielt er inne. Er war bereit, wieder zurückzulaufen, denn ganz offensichtlich war Ilona nicht zuhause. Sie war jeden Tag in der Fabrik. Vadim klingelte trotzdem. Es war ja im Grunde viel angenehmer, würde eines von ihren Familienmitgliedern ihr den Strauß geben.
Ilonas Schwester Katalin öffnete. Vadim straffte sich. " Guten Tag. Können Sie Ihrer Schwester den Strauß geben?", fragte er monoton. 
"Meiner Schwester?" Katalin streckte ihre Hand nach dem Strauß aus. "Dann geben Sie mal her."
Vadim weigerte sich, ihr die Blumen zu geben. Er lief an Katalin vorbei in das Gebäude und wollte den Strauß ablegen. 
"Geben Sie ihn mir doch einfach! Ich tu dem lieben Ding ja auch nichts." Katalin streckte erneut die Hand aus. Vadim zögerte kurz. Schließlich drückte er ihr den Strauß schnell in die Hand. Katalin griff zwar nach der Klinke, um Vadim hinauszulassen, stellte sich jedoch in die Türöffnung. Sie beäugte den Strauß. "Sehr erlesene Auswahl!", kommentierte sie lächelnd. Vadim blieb stocksteif stehen. Er biss sich auf die Unterlippe und wartete, bis Katalin aus der Tür trat. Währenddessen machte er sie aufmerksam: "Ihnen ist bewusst, dass es für Ihre Schwester ist?" Katalin ließ den Blumenstrauß sinken. "Selbstverständlich." Sie machte die Tür frei.
Vadim nickte. Er trat nach draußen.
"Wiedersehen", rief Katalin, den Strauß in der Hand. Vadim erwiederte den Gruß und machte sich davon.  Bevor sie die Tür schloss, sah ihm Katalin hinterher. Vadim drehte sich ebenfalls noch einmal zu ihr um. Es war ein windiger Tag und die Böhen ließen die Satinschleife des Straußes flattern. In der Sonne, die ihr einen Glanz verlieh, war ihr rosafarbener Farbton gut zu erkennen. Beim Kauf hatte Vadim nicht auf die Farben geachtet, doch jetzt fiel ihm auf, dass Ilona blau trug - und Katalin rot. Er beeilte sich. Zuhause angekommen schlug Vadim die Tür laut zu und ging in sein Zimmer. Er setzte sich auf seinen Stuhl und stützte den Kopf in die Hände. Katalin würde Ilona den Strauß bestimmt nicht gern aushändigen, andererseits würde Ilona ihn wahrscheinlich auch von selbst schon verschmähen. Was für eine große Blamage!

Als die Glocke ertönte, kam auch Ilona aus der Fabrik. Sie machte sich auf den Weg nachhause, wie auch Vadim, der, nicht viele Meter von ihr entfernt den selben Weg wählte. Die Dunkelheit hatte wieder den gesamten Himmel eingenommen und nur die Lichter in den Häusern, das Licht der Züge, die Laternen und die Leuchten der Kutschen erhellten die Straßen.
Ilona zog an dem Klingelzug und nach wenigen Sekunden öffnete ihr ihr Bruder. "Katalin hat was für dich! Mach schnell!", raunte er ihr zu.
Ilona ging zu Katalin. "Wo ist es?", fragte sie. Katalins Blick verdunkelte sich. Langsam drehte sie sich um und holte den Blumenstrauß aus einer Schublade. Sie hielt ihn fest in den Händen.
"Von wem ist der Strauß?", fragte Ilona. 
Katalin fixierte sie mit dem Blick. "Ich weiß es nicht. Arbeitsloser gutaussehender Kerl mit Hut.", antwortete sie schließlich.
"Gib mir den Strauß, Katalin." Ilona griff nach den Blumen. Katalin ließ den Strauß nicht los. "Ich habe ihn bekommen", sagte sie.
"Aber László hat doch gesagt, dass es für mich ist!" Ilona riss Katalin den Strauß auß der Hand.
Es klingelte. Katalin ging grimmig zur Tür. Als sie öffnete, wurde Vadim sichtbar. Katalin setzte sofort ihr Lächeln auf. Doch Vadim reagierte nicht darauf. Er ging auf Ilona zu. Vor ihr blieb er stehen und kramte in seiner Brieftasche. Er holte etwas heraus und gab es Ilona. Er nahm das rote Band von ihrem Strauß  und an dessen Stelle band er ein blaues. Katalin stellte sich neben ihn. "Das rote können Sie mir geben.", sagte sie ihm, doch ihr Blick verriet, dass sie zum roten Band auch Blumen aus Ilonas Strauß haben wollte. Vadim zögerte. Dann  drückte er ihr schnell das rote Band in die Hand. Ihren ungeäußerten Wunsch beachtete er nicht weiter, woraufhin Katalin sich von ihm abwandte.
Ilona lächelte. Vadim wusste nicht recht, was er nun tun sollte. Er kaute nervös auf seiner Unterlippe. László beäugte ihn erwartungsvoll. Schließlich platzte es aus ihm heraus: "Gehen Sie jetzt oder bleiben Sie?" Sein ungarischer Akzent war unüberhörbar. Vadim sah sich nervös um. "Sie können auch bleiben", bot Katalin an, welches ihr einen strengen Blick von László einbrachte. "Lieber nicht", warnte dieser. Vadim war hin- und hergerissen. Er knöpfte seinen Mantel auf und wieder zu, was Katalins Aufmerksamkeit erregte. Sie schien in einem ständigen Wettstreit mit Ilona zu stehen, wessen Lächeln mehr Blicke von Vadim einbrachte. Der wusste nicht recht. Wäre es vielleicht sogar am besten, auf Lászlós Gebot zu hören? Vadim blieb unentschlossen. Anstatt zu deren Gunst entweder auf Katalins oder Ilonas Lächeln zu achten, schaute er zu Boden.
"Raus!", brüllte László schließlich. Vadim gehorchte und rannte aus dem Haus. Er konnte hören, wie László hinter ihm die Tür zuschlug.








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