Kapitel III

 Inzwischen hatten sie sich neben ihn gestellt. Ladislav fuhr zusammen. Der Schweiß brach in ihm aus. Er musste jetzt schnell handeln, schnell und bedacht. Zu romantischer Stimmung durfte es bei Vadim und Katalin unter keinen Umständen kommen. "Nun... Ich... finde diese Stadt schrecklich. Dieser Fluss... Er ist so hässlich.", log er mit gespielt ernster Miene.
"Das meinst du nicht ernst!" Vadim lachte.
Ladislav blähte die Nasenflügel auf. Seine Mundwinkel waren nach unten gerichtet. "Vadim, lass uns weitergehen", drängte er und ging voraus, in der Hoffnung, Vadim würde ihm folgen, vor allem aber nicht seinen wütenden Gesichtsausdruck bemerken.

Entgegen Ladislavs Wunsch und Ertartung folgte ihm Vadim vorerst nicht, sondern lehnte noch eine Weile an dem steinernen Gemäuer der Karlsbrücke. Die Zeit würde es mit sich bringen, dass er Ladislav folgen und diesen Ort verlassen würde. Doch noch war es nicht so weit.
Katalins Blick folgte der Strömung, daher bemerkte sie zu dessen großer Befriedigung nicht, wie Vadim die Seite wechselte.
Als sie schließlich zu ihm schaute, lag ein merkwürdiger Blick in ihren Augen.
Vadim wich ihm aus, doch er spürte, dass er seinem Schicksal nun nicht mehr entrinnen konnte. 
So gern er es auch nur getan hätte, senkte er seinen Blick nicht. Und so gern er es auch nur getan hätte, tat er alles, um ihrem Blick auszuweichen nicht. Um ihrem Blick und ihr selbst auszuweichen.
"Ich mag dich nicht siezen, Vadim." Sie machte einen Schritt auf ihn zu.
Vadim schnürte sich die Kehle zu.
Das Herz schlug ihm bis zum Hals. 
Was sollte er darauf antworten?
Doch kaum konnte er darüber nachdenken, sagte Katalin wieder: "Vadim."
Er schluckte. "Katalin."
Sie schwiegen.
Katalin wiegte ihren Kopf, sodass er bei jeder Bewegung geneigt blieb. Sie ging noch einen Schritt auf ihn zu. Nun sah sie zu ihm herauf, während er zu ihr herabsehen musste. Zu gerne würde er ebenso wie sie empor zum Himmel sehen, doch es war bereits zu spät. Sie würde es auch ohne Worte nicht zulassen, dass er nicht zu ihr sah, weshalb er dieses Risiko nicht einging und sich der dilemmatischen Situation gefügig anpasste.
Katalin machte noch einen Schritt auf Vadim zu, sodass dieser notdürftig nach hinten auswich. Er konnte nicht anders. Katalin hatte nicht das Recht, ihn dermaßen zu beengen. Doch lange könnte er es vermutlich nicht mehr so treiben, denn der verhängnisvolle Moment, in dem er alleine mit Katalin Szabados auf der Karlsbrücke in Prag, der ehemaligen Stadt seiner Träume, stand, war vollkommen hereingebrochen und Vadim würde es nicht wagen, ihn abzuschütteln, sich seinem Schicksal zu entziehen und davonzurennen.
Er rang sich ein Lächeln ab. 
Katalin ging wieder auf ihn zu und dies war der entscheidende Schritt, da Vadim auf der Stelle stehen blieb. Sie schlang ihre kräftigen Arme um ihn.
Vadim schauderte. Ihm war das alles ungeheurlich und unsagbar unangenehm und er würde sich der Situation nur wirklich zu gerne entziehen, doch er riss sich trotz allem zusammen und tat nichts.
Panisch schloss er die Augen, um dem schrecklichen Bild zu entfliehen, dass sich ihm bot, wenn er aufsah, nämlich, dass sich Katalins Gesicht dem Seinen näherte. Er unterdrückte Ekel und Unwillen und ließ es über sich ergehen.
Katalin küsste ihn. Die Sekunden zogen sich in die Länge, bis sie ihr Gesicht endlich wieder entfernte. 
Dann nahm ihn Katalin am steifen, zitternden Arm und lief mit ihm bis zur Herberge. Nicht! Nicht! Lassen Sie mich los!, flehte Vadim innerlich. Er folgte ihr derart robotisch, dass er sich plötzlich nicht mehr unter der Kontrolle hatte und dem Menschen und dem Willen in sich freien Lauf ließ.
Auf der Treppe riss er sich los. Er rannte die Stufen wieder hinunter und verschwand dann, die Tür zuschlagend in seinem Zimmer, das im Erdgeschoss lag.
Dort wurde er von Ladislav erwartet. In dessen Blick lagen Anzeichen von Wut, Empörung und Verzweiflung.
Vadim setzte sich auf die Bettkante und schaute zu ihm. Ladislav stand auf und ging auf ihn zu. "Wenn so etwas noch ein Mal passiert, reise ich ab. Und du wirst mitkommen. Und deine Freundin wird hierbleiben. Es reicht mir mit Prag. Ich mag die Stadt, doch wenn ich an dein Wohl denke, da reise ich doch lieber wieder ab. Du bist ein Ruthene, mach dir das bewusst! Sie ist eine Ungarin! Den Rest kannst du dir denken. Mehr sage ich nicht. Es ist zu deinem Wohl." Ladislav drehte ihm den Rücken zu. Er schaute über die Schulter zu ihm."Wenn es dir recht ist, packe ich jetzt die Koffer."

Vadim senkte den Blick. Er schluckte. "In Ordnung."
"Gut." Ladislav packte seine Sachen zusammen.
Vadim tat es ihm gleich. 

Ladislav schaute zu seinem Freund. "Es ist so weit, Vadim. Morgen reisen wir wieder ab. Ich habe meine Koffer gepackt, ebenso wie du, wie ich hoffen darf."
Vadim nickte. "Ich erledige noch kurz etwas. Ich bin gleich wieder da." Er lief die Treppe hoch zu Katalins Zimmer und klopfte an. Da er es eilig hatte, bemühte er sich nicht, hinzusehen, ob es einen Klingelzug gab.
Katalin öffnete. "Komm rein!", sagte sie.
"Neinnein. Ich... Wir reisen morgen wieder ab. Auf Wiedersehen.", stotterte er, während er hartnäckig auf seine Füße starrte. Bevor sie etwas erwidern konnte, flitzte er die Treppe wieder hinunter.
"Was hast du denn erledigt?", fragte ihn Ladislav, der ihn bereits erwartete.
"Ich... habe gemeldet, dass wir abreisen..." Doch weiter kam er nicht, denn sofort hörte er das verstörende Geräusch von treppensteigenden Stöckelschuhen näherkommen. Katalin! Vadim wollte aus dem Haus rennen, doch er riss sich zusammen.
"Vadim! Vadim! Warum reist ihr denn ab? Ihr habt doch noch erst so wenig von der Stadt gesehen und..." Sie blieb keuchend vor ihnen stehen.
Vadim konnte sich nicht mehr kontrollieren. Er stürmte aus dem Haus und packte Ladislav am Arm. "Komm mit, Ladislav!", krächzte er. 

Keine Sekunde zu früh sprangen die zwei Freunde in die Wagons der Eisenbahn.
Der Zug fuhr ab.
Die Umgebung, an der er vorbeisauste, beobachtete Vadim, den Kopf auf die Hand gestützt, durch das Fenster neben seinem Sitz.
"Wie findest du es, im Zug zu fahren?", fragte er Ladislav, der neben ihm saß, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden oder sich vom Rattern der Wagons ablenken zu lassen.
Ladislav antwortete ihm nicht.
Vadim drehte den Kopf zu ihm und stellte fest, dass dieser in ein Buch vertieft war.
Als er bemerkte, dass Vadim ihn erwartungsvoll anschaute, fuhr Ladislav zusammen. Er fragte, ob Vadim mit ihm geredet habe, woraufhin dieser seine Frage wiederholte. Ladislav wusste keine eindeutige Antwort, daher unterhielten sie sich schließlich über das Buch, welches er mit einem solchen Eifer las. Wie es sich nun herausstellte, handelte es sich um das literarische Werk eines zeitgenössischen Romanautors. 
"Ein Roman also?"
"Ja, genau, ein Roman. Eigentlich nicht die Kategorie von meinen bevorzugten Büchern. Ich interessiere mich allgemein mehr für die Realität als für ausgedachte Geschichten."
"Das ist gut."
"Vadim, es scheint mir so, dass du die Realität nicht ganz wahrnimmst. Du machst, was dir durch den Kopf geht, hegst Träume von Städten, findest Liebe und Freundschaft offensichtlich interessanter als Geld, Arbeit und Zukunft. Es ist so, als lebtest du in einem Roman, in dem alles vollkommen von der realen Welt abschweift."
"Das habe ich noch nie so bedacht. Klär mich weiter auf."
"In Ordnung. Also, beginnen wir. In Prag hättest du eigentlich eine Arbeit suchen können. Außerdem wäre es auch möglich gewesen, dass du auf das Dilemma des Jahres verzichtet hättest und mir sofort gefolgt wärest. Und du hättest Katalins Ansichten, die Moldau sei schön nicht zutsimmen müssen. Oder das Gegenteil: Wenn du alte Streite vergessen hättest, hättest du ihr stattdessen auf der Karlsbrücke einen Antrag machen können, dann würdet ihr heiraten und du hättest keinen Grund mehr zur Flucht. Natürlich bist du noch etwas jung, aber das sollte dir jetzt auch nichts nützen. Falls du das in jeglicher Hinsicht unterbinden wolttest, hättest du auch einfach ihren Kuss erwidern können."
"Kommen wir doch lieber zu deinem Roman zurück, Ladislav. Wovon handelt er?"
"Du alter Angsthase." 

Vadim wuchtete den letzten Koffer auf die Abladefläche.
"Soll ich dir helfen?", fragte er dann Ladislav, der einige mehr getragen hatte.
Dieser schüttelte den Kopf. "Alles in Ordnung. Doch wozu hast du alle diese schweren Koffer mitgenommen? Was ist darin zu finden? Diese Frage wurmt mich schon, seit wir aufgebrochen sind."
"In ihnen sind Bücher. Ich habe sehr viele solcher Art. Wie dir bekanntlich bewusst ist, trat ich diese Reise an, um Prag mit all seinen Sehenswürdigkeiten zu erleben."
"Aber im Grunde gibt es dort ja doch auch widerum nicht so viel zu sehen. Außerdem haben Wälzer nichts mit Attraktionen zu tun!"
"Es sind Reiseführer. Aus ihnen kann ich vieles über Prag lernen."
"Aha aha. Du siehst schlapp aus!" Ladislav beäugte ihn sorgenvoll.
Vadim ließ sich rücklings auf sein Bett fallen. Die gestrigen und davor passierten Geschehnisse bereiteten ihm eine große Überforderung.
"Was ist los?" Ladislav setzte sich auf die Bettkante.
Vadim reagierte nicht auf seine Frage.
Ladislav legte seine Aktentasche beiseite, die er bislang immer dicht bei sich getragen hatte. Er kroch zu Vadim und hockte sich schließlich vor seinen Kopf. "Es ist wegen... Katalin, nicht wahr? Sei ehrlich! Heraus damit!"
Vadim drehte den Kopf. "Auch. Ich weiß ja, dass ich dir sofort hätte folgen sollen. Aber es ist nicht nur das. Auch die Anreise war stressig, dann dieses Problem, weil sie uns geduzt hat und dann... Ja, die schnelle Abreise. Alles überfordernd!"
"Ich verstehe. Nun..." Ladislav wurde von einem Klingeln unterbrochen. Er öffnete die Tür.
Vadim schaute auf. Es war Ilona. Er setzte sich schnell auf.
"Was gibt es?" Ladislav war bereit, Ilona wieder aus dem Zimmer zu scheuchen.
Ilona machte einige Schritte in Vadims Richtung, woraufhin dieser aufstand. "Ist es wichtig?", fragte er.
Ilona nickte. Sie begann: "Es ist... Es ist alles sehr schnell gegangen. Zu schnell. Ihr Vater... Ist tot. Er hatte einen plötzlichen Schlaganfall. Sie müssen sofort die Fabrik übernehmen... Oder schließen!"
Vadim starrte sie an. "Und das alles... Ach was... Nein...!"
"...Doch!" Ilona nickte. Ihre Augen glänzten verdächtig.
Vadim riss die Tür auf und rannte aus dem Haus.
Ilona und Ladislav sahen sich an. Sie liefen ihm hinterher.
"Er will zur Fabrik!" Ladislav zeigte auf ihn.
Sie setzten ihre Verfolgung fort.
"Dort! Er ist fast schon im Gebäude!" Ilona rannte schneller. Ladislav hielt sie am Ärmel fest. "Jetzt ist er drin. Es macht keinen Sinn, dass wir uns beeilen."
"Wir uns beeilen?"
"Ja... Ach so! Egal! Fast da!"
Schließlich kamen auch Ladislav und Ilona beim Gebäude an.
Sie sahen, wie Vadim dort fassungslos vor den Maschinen auf und ablief.
All das - Nein. Ich schließe die Fabrik. Ich wäre kein guter Direktor. Die Maschinen verkaufe ich., schoss es ihm durch den Kopf. Er ging auf den Ausgang zu.
Ilona folgte ihm. Ladislav hielt sie zurück. "Lassen Sie ihn in Frieden!", zischte er.
"Lassen Sie mich los! Sie müssen mir gehorchen! Ich bin Ihnen ranghöher!"
Ladislav packte Ilona an den Schultern. "Das stimmt nicht! Sie haben nicht das Recht, mir etwas zu befehlen, bloß weil Sie Ungarin sind und ich Tscheche! Sie sind mir nicht überlegen!" Er drückte sie noch fester an den Schultern.
"Sie haben ebensowenig das Recht, mich hier festzuhalten!" Ilona versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, welches ihr jedoch nicht gelang.
"Seien Sie still und rühren Sie sich nicht von der Stelle! Mein Freund braucht Ruhe, kapieren Sie das!"
Widerwillig gab Ilona nach. 

Vadim saß mit in den Armen vergrabenem Kopf auf der Bank im Innenhof, auf der er einst mit Ilona gesessen hatte, bevor alles geschehen war, was ihm jetzt jene große Überforderung bereitete.
Die Schatten der Nacht verdrängten das Licht des Tages und ließen an der Stelle der Sonne den Mond aufleuchten.
Vadim verließ seinen Posten auf der Bank und ging die Straßen, nur von den
Lichtern in den Häusern, dem Licht der ratternden Züge, wie er gestern noch in einem solchen gefahren war, den Laternen und dem Leuchten der Lichter an den Kutschen erhellt entlang bis zu seiner Wohnung.
Ladislav, der deren Schultern noch immer festhielt, damit sie noch Abstand zu Vadim hielten, und Ilona folgten ihm.
Vadim hatte sie bemerkt und rief nach ihnen.
Sie kamen.
"Wo ist mein Vater begraben?" Er wandte sich an Ilona.
"Auf dem Friedhof nebenan."
"Kommen die Arbeiter morgen zur Fabrik?"
"Ja. Ich habe mit ihnen gesprochen."
"Gut." Vadim drehte sich wieder von ihr weg und lief weiter. 

Die üblichen Zeichen des Morgens kündigten jenen an, doch ein bekanntes Geräusch blieb weg. Es war das Lärmen der Maschinen, welches andernfalls von der Fabrik stammte, die indessen der Besitz von Vadim war.
Alle Arbeiter standen um ihn versammelt und erwarteten, dass er nun bekanntgeben würde, die Fabrik zu übernehmen und der neue Direktor zu werden.
Doch so kam es nicht. Vadim gab stattdessen bekannt, die Fabrik zu schließen und sie alle zu entlassen. 

"War es ein Fehler?" Vadim schaute zu Ilona, mit der er inzwischen in dem ehemaligen Fabrikgebäude allein war.
Doch diese antwortete nicht auf seine Frage und sagte an dessen Statt: "Würde ich nicht eine gewisse Liebe zu Ihnen verspüren," Sie legte eine Kunstpause ein und fuhr schließlich fort: "würde ich Sie hassen."
Vadim wandte sich von ihr ab und setzte sich auf einen Stuhl. "Das ist verständlich. Ich bin nicht für einen Direktor gemacht. Und ich hätte die Fabrik auch nicht retten können."
Ilona stellte sich hinter ihn.
Vadim schob seinen Stuhl beiseite und stand auf. Er entfernte sich einige Schritte weit von Ilona.
"Wieso sind Sie nach Prag abgereist?", fragte diese.
"Ich mag Prag!", sagte Vadim schnell. Sein Tonfall war monoton.
"Meine Schwester ist auch nach Prag gereist, kurz vor Ihnen. Wussten Sie das?"
"Ja." Vadim nickte schluckend.
"Haben Sie sie getroffen?"
"Hören Sie damit auf, mir andauernd neue Fragen zu stellen, wie Ihre Schwester es auch ständig so unangenehm tut!"
"In Ordnung, aber haben Sie sie nun getroffen?"
"Ja." Vadim schnürte sich die Kehle zu, welches ihn noch monotoner klingen ließ.
"Wo?"
"Auf der Karlsbrücke." Vadim ignorierte, dass ihm Ilona gerade wieder eine Frage stellte.
"Nur dort? Und wie war es?"
"Unangenehm. Leben Sie wohl." Vadim verschwand den Hut zurechtrückend in der Tür nach draußen, die er nun schloss.
Ilona seufzte.
Sie lief zur Tür und verließ ebenfalls das Gebäude. 
Die Fabrik, das Einkommen und das Vermögen von Vadims Familie waren begraben. 

Ladislav lief auf und ab. "Du brauchst also dringend Geld?"
Vadim nickte.
"Nun... Wie viel?"
"Etwa so viel, wie man welches zum Leben braucht."
"Gut, mehr kann ich nämlich auch nicht bieten."
"In Ordnung."
"Aber ich werde es dir gewiss nicht einfach so ohne weiteres schenken! Es gibt nämlich eine Konsequenz."
"Und die lautet?"
"Nun, ich habe eine Schwester. Sie arbeitet in Wien in einem Café und verdient gut. Du kannst auch dorthin gehen, denn ich kenne auch den Eigentümer. Er ist sehr nett."
Vadim schien nicht begeistert. "Nun gut... Aber Wien ist schließlich sehr weit entfernt von hier. Ich müsste wirklich täglich sehr weit pendeln."
"Das stimmt allerdings, aber du kannst auch einfach umziehen, welches jedoch Geld erfordert, über dessen Besitz du nicht verfügst."
So redeten sie weiter und kamen zu keinem Schluss. 

Schließlich hatte Vadim Ladislavs Zimmer verlassen. Er marschierte zielgerichtet über den Bürgersteig.
Geld! Er brauchte Geld! Hätte er es nötig, hätte Vadim gejapst und wäre mit nach vorn gestreckten Armen quer durch das Viertel gerannt.
Grund zum Rennen hätte er nun tatsächlich gehabt, denn: Katalin. Sie kam unübersehbar auf ihn zugestöckelt.
Was nun? Vadim duckte sich in seiner Panik, doch er gab es nach wenigen Sekunden auf. Sich zu ducken, ergab nun wirklich keinen Sinn.
Vadim atmete tief ein und aus, raffte sich zusammen und sagte, Katalin bewusst siezend: "Hegten Sie nicht das durchaus berechtigte Vorhaben, erst in einer Woche wieder abzureisen?"
Katalin hob die Augenbrauen, ließ ihren Blick schweifen und spitzte die Lippen. "Das ist möglich."
"Dann sollen Sie sich an dieses Vorhaben optimalerweise auch halten und nicht derart willkürlich Reisen umplanen!"
"Optimalerweise."
"Im Grunde sogar subobtimalerweise! Immer!" Vadim zückte knapp seinen Hut in ihre Richtung und verschwand.
Katalin lief ihm nach und brachte ihn zum Stehen. Sie stellte sich vor ihn und streifte
mit einem Was-ist-das-denn-für-eine-Art-Blick sein Gesicht.
Vadim rollte mit den Augen. "Nun gut. Haben Sie viel Geld?"
"Ich bin nicht reich. Was wollen Sie damit?"
"Sie können mir folgen und dafür das meiste zahlen, was Sie rausrücken."
So kam es. Vadim lief gezielt alle Umwege, die man bis zu seinem Haus machen konnte, damit Katalin hoffentlich schon bei der Hälfte des Weges müde wurde, zahlte und ging.
Doch zu seinem großen Unbehagen waren alle diese Umwege umsonst, denn Katalin folgte ihm (Wenn auch schon ermüdet) bis zum Ende.
Schließlich waren sie angekommen.
"Die Zahlung erfolgt jetzt." Vadim hielt vor seiner Haustür an und streckte die Hand nach dem Geld aus. Katalin legte ein wenig hinein. 
"Das genügt nicht! Ein anständiges Sümmchen, wenn ich doch sehr bitten darf!" Vadim hielt ihr weiterhin fassungslos die Handfläche hin.
"Wieso?"
"Na los, machen Sie schon!"
Unwillig drückte ihm Katalin ein Bündel Scheine in die Hand.
"Gut. Leben Sie wohl." Vadim steckte das Geld ein und schloss die Tür auf. Ohne, dass er es beabsichtigte, folgte ihm Katalin hinein und ehe er sie wieder aus dem Haus scheuchen konnte, schloss sie hinter sich die Tür. Sie stöhnte. 
Vadim fuhr herum. "Was machen Sie denn noch hier?"
Wieder stöhnte Katalin.
"Aha, Sie sind wohl müde. Dann gehen Sie am besten schnellstens nach hause, bevor Sie noch umkippen."
"Das schaff' ich nicht mehr." Katalin stolperte in Vadims Zimmer und ließ sich auf sein Bett fallen.
"Raus!", schrie Vadim nach Lászlós Art und machte eine auffordernde Handbewegung. "Aufstehen!"
Katalin regte sich nicht.
"Sie können dort nicht liegenbleiben. Das ist nicht Ihr Haus! Raus!"
"Bitte... Ich bin zu müde." Wieder lächelte sie jenes Lächeln, welches sie so geprägt hatte.
"Dann müssen Sie aber auf dem Boden schlafen!" Vadim schleifte Katalin vom Bett und legte sie auf dem Flurboden ab.
"Sie sind ein Flegel!" Katalin stand mühsam auf und ging auf Vadim zu, um ihn mit letzter Kraft zu ohrfeigen. Dieser duckte sich zur Seite und stellte ihr ein Bein. "Nicht frech werden!"
So kroch Katalin schließlich über den Boden bis zur Tür, die ihr Vadim sperrangelweit offen hielt, um sie, wenn Katalin draußen war, krachend zuzuschlagen.

Kommentare

Kommentar veröffentlichen