Durch das Fenster sah Vadim, wie der Tag begann. Denn wie gewohnt nahm er noch früh vor Sonnenaufgang seinen Lauf. Doch nicht erst zu Tagesbeginn hatte Vadim schon am Fenster gestanden. Die ganze Nacht war er dieser Tätigkeit nachgegangen, seit Katalin das Haus mehr schlecht als recht verlassen hatte. Er meinte, gesehen zu haben, wie sie einige Zeit vor seiner Tür gelegen habe, dann jedoch aufgesprungen und davongerannt war.
Vadim wandte sich ab. Er hatte selbst nicht die geringste Ahnung, weshalb er Katalin Szabados so erbittert hasste und derartig verabscheute. Sie am Spätabend in solchermaßen schlechtem Befindenszustand in die nächtliche Straße hinausgetreten zu haben, bedauerte er nun. Er ging einige Schritte durch das Zimmer, bis er sich schließlich vor seinem Schreibtisch hinhockte und eine Schublade herauszog. Aus ihr entnahm er das Geld, welches ihm Katalin am vorigen Tag gezahlt hatte. Er steckte es ein.
Vadim schloss die Tür ab und trat nach draußen.
Vermutlich würde er auf der Suche nach Arbeit oder gar einfach Geld wegfahren. Er lief den Gehweg entlang, bis er schließlich eine wenn auch nicht ganz rostfreie Kutsche mit quietschenden Achsen um die Kurve biegen sah. Vadim überlegte, den Arm auszustrecken und sie zu nehmen, doch dann sah er, wie eine ihm wohl bekannte Gestalt, gefolgt von einer weiteren ausstieg. Hastig verließ er seinen Posten und verschwand eiligen Schrittes in einer Gasse.
Doch zu spät. Sie hatten ihn bereits eingeholt.
Vadim sah sich um. Was sollte er tun? Sich auf und davon begeben. Doch das traute er sich nicht.
"Lassen Sie mich in Frieden! Sie sind lästig!" Er streckte abwehrend die Hand aus. Was er ihr getan hatte, bereute er selbst, daher war es für ihn jetzt umso wichtiger, jeglichen Kontakt mit ihr zu vermeiden.
Katalin verengte ihre in der oberen Hälfte ihres hochroten ovalen Gesichtes liegenden Augen, mit denen sie ihn einst ständig unangenehm beäugt hatte zu Schlitzen. Sie knöpfte erst langsam ihre Manschetten auf, krempelte dann mit enormer Geschwindigkeit die Ärmel hoch und schlug schließlich mehrfach nach Vadims Gesicht.
Dieser trat nach der Kniescheibe ihres muskulösen Beins, verlor jedoch das Gleichgewicht und sank auf den steinernen Boden. Doch die Wut überwand den Schmerz und er schrie: "Was bilden Sie sich ein, über das Recht zu verfügen, zu etwas solchem gerechtfertigt zu sein?"
Katalin hörte auf, ihn zu schlagen und deutete stattdessen auf die dunklen Ringe unter ihren Augen.
"Sehen Sie vielleicht meine Augenringe, diese schrecklichen? Sehen Sie sie?"
"Ich sehe Sie!" Vadim sprang auf und versetzte ihr einen Kinnhaken. "Und ich bin stolz auf sie!"
Katalin fiel zu Boden.
Ilona wechselte die Straßenseite. "Katalin, du bist skandalös!"
Es folgte ein Gemetzel, bei dem Katalin die Oberhand gewann und Ilona zurück auf die Straßenseite kehrte, um sich zu versichern, dass es notwendig war, Vadim zu bandagieren. Da es wirklich notwendig war, holte sie dem liegenden Verwundeten dann einen Verbandskasten und tat alles, was in ihrer Macht stand. Daraufhin bekam sie Prügel von Katalin ab. Ihre Reaktion war der Rückschlag.
Die Polizei war zur Stelle.
Katalin wurde abgeführt. Für Vadim jedoch reichte das nicht. Er zerriss ihr die Frisur und zerrte so stark an ihren schließlich offenen Haaren, dass ihm angedroht wurde, auch in den Knast zu kommen.
Der Polizist drängte Katalin in den Wagen und krachte die Tür zu. Er hatte jedoch nicht bedacht, somit ihre Haare einzuklemmen und abzureißen.
So schrie sie auf. Der Polizist gebot ihr, zu schweigen.
Die Uhr schlug Zehn.
Die Bandagen sanken auf den Boden.
Im Spiegel konnte Vadim sehen, welche Wunden er in Wirklichkeit im Gesicht hatte. Zwar war das Blut schon getrocknet, dennoch sah es schrecklich aus. Er hob die Bandagen vom Boden auf und warf sie zum Abfall.
Draußen strich eine Brise durch die Ortschaft und ließ die Weiden an den Alleen ihre Arme leicht in die Richtung, in die der Wind blies, wehen, wie Vadim durch das gläserne Fenster erkennen konnte. Er öffnete es, um die Frühlingsluft hereinzulassen. Er stützte sich mit den Händen auf die Fensterbank und hielt für einen Moment inne. Er atmete tief ein und aus.
"Guten Morgen!", sagte plötzlich ein Mann direkt zu ihm durch das Fenster. Er hatte eine tiefe Stimme, eine zwielichtige Ausstrahlung und eine große Tasche unter den Arm geklemmt.
Nervös erwiderte Vadim die Begrüßung.
"Sie brauchen Geld, nicht wahr? Kein Grund zur Sorge. Ich bin ein... Freund... na ja, Freund kann man nicht mehr sagen, aber das ist jetzt nicht wichtig... von Ladislav. Sie können mir getrost vertrauen!", sagte der Mann mit Nachdruck. Er wies auf die große braune Tasche, die er unter dem Arm trug. "Wenn Sie diese Tasche innerhalb von drei Tagen heil nach Wien zu bringen gedenken, zahle ich, was Sie nur von mir verlangen. Falls Sie einverstanden sind, so bitte ich sie, mir einen Brief zu schicken, sobald Sie angekommen sind. Dann werde ich ihnen ebenfalls per Post mitteilen, was sich in der Tasche befindet und wie Sie weiter vorgehen sollen.", fuhr der Mann fort.
Vadim war einverstanden. Er nannte die Summe, der geheimnisvolle Mann bezahlte und die Reise begann.
Es ging also nach Wien. Vadim würde seine Heimatstadt verlassen. Alle Bekannten würde er hinter sich lassen, für Geld. Ladislav, Katalin und Ilona Szabados, seinen toten Vater, auch den seltsamen Mann, der ihm den Auftrag mit der Aktentasche gegeben hatte.
Aber vielleicht würde er in Wien bleiben und neue Bekanntschaften schließen. Unter all den Menschen, die dort lebten, und die er jetzt, wo er am Bahnhof stand und seinen Blick ratlos schweifen ließ, und in den folgenden Minuten, Stunden, Tagen und höheren Stufen sehen würde, würde bestimmt einer sein, der sein Bekannter, sein Freund oder seine Ehefrau wurde.
Vadim entschied sich, den einen Ausgang zu nehmen und sich, wenn er außerhalb des Bahnhofgeländes war, eine Gelegenheit zu suchen, an der er seinen Brief an den unbekannten Auftraggeber schreiben konnte.
Seine Auswahl fiel auf ein Café, in dem es auch die Möglichkeit gab, zu übernachten, und mit Sicherheit auch die Gelegenheit, einen Brief zu schreiben.
Von der großen braunen Aktentasche mit dem geheimen Inhalt und seinem vielen Gepäck behindert stieß er die Tür zum Café mit den vielen Möglichkeiten auf, nickte dem Inhaber, einem kleineren, rundlichen Mann mit Schnurrbart matt zu und ließ sich auf einen der gepolsterten Stühle, die um einen hölzernen Tisch herum standen nieder.
Das Gepäck und die Tasche des geheimnisvollen Herrn lud er auf dem Tisch ab. Er lehnte sich zurück. Dann holte er die Utensilien, die man für einen Brief brauchte, hervor und begann zu schreiben.
"Wünschen Sie etwas?"
Vadim hatte nicht bemerkt, wie sich jemand hinter ihn gestellt hatte.
"Nein danke." Er war derart zusammengezuckt, als er die Stimme gehört und den Schatten, der von der Person hinter ihm auf sein Papier geworfen worden war gesehen hatte, dass er sich nun fürchtete, sich nach dem herangeschlichenen Menschen umzusehen und verkrampft weiter am Brief für den Unbekannten schrieb, der verlauten ließ, dass er in Wien angekommen war.
"Sind sie sich sicher?" Die samtene Stimme der Person hinter ihm wollte offenbar mit ihm im Gespräch bleiben.
Vadim drehte sich ruckartig um. "Ich bin mir sicher!", kam es aus ihm, während er den Menschen realisierte. Offensichtlich war es eine Kellnerin des Cafés.
Vadim kniff die Augen zusammen, verfinsterte die Miene, schob den Unterkiefer vor und tat insgesamt alles, um ihrem Lächeln, das seinen Blick umschmeichelte wie ihre samtweiche Stimme seine Ohren, effektiv entgegenzuwirken oder es zumindest bei dem Anschein zu belassen.
"In Ordnung." Ohne, dass sich ihre Mundwinkel bewegten, drehte sich die Bedienstete langsam von ihm weg. Solange es ihre Position ermöglichte, behielt sie Vadim im von Wimpern zugespitzten Auge.
Der überforderte Schreiber schüttelte den Kopf, riss sich den Hut von diesem und raufte sich die Haare. Warum wurden ihm ständig schöne Augen gemacht? Vadim verstand die Welt nicht mehr.
Inzwischen war er mit dem Brief fertig. Er verpackte ihn und lief zum nächsten Briefkasten, wo er ihn ablieferte. Er ging wieder zurück.
Als er das Pension-Café wieder betrat, schallte ein Ruf durch den Raum.
"Aurica!", rief der rundliche Inhaber. Offenbar meinte er die Kellnerin, die Vadim eben angesprochen hatte. Sie stand an dessen Tisch und hatte sichtlich etwas mit seinem Gepäck vor. Doch sie ließ von ihrem merkwürdigen Vorhaben ab und richtete sich nach der Mahnung des Herrn mit Schnurrbart.
"Welche Absicht verfolgten Sie, als Sie mein Gepäck anrührten?", schalt Vadim. Er war vor allem deshalb so feindselig zu ihr, da er eine jegliche dritte Affäre um jeden Preis verhindenrn wollte.
"Sie regen sich zu Unrecht auf. Ich verfolgte, wie Sie sagen würden, die Absicht, Sie von der Last zu befreien, Ihr Gepäck selbst in Ihr, wie sie vermutlich eines reservieren werden, Zimmer zu bringen.", erklärte die lächelnde Bedienstete Aurica mit einem Anflug Hochmut in der honigsüßen Stimme und stemmte sich mit dem Unterarm auf seinen Tisch.
Der schnauzbärtige rundliche Inhaber lachte. "Da sehen Sie mal! Aurica tut immer Gefälliges. Sie werden in Bälde merken, dass sie Ihnen nur zu schnell ans Herz wachsen wird. Es macht mein Café zu einer Attraktion, sie in der Liste meines Personals zu führen. In der ganzen Straße habe ich dank ihr die meisten Stammkunden.", quiekte er.
Vadim nahm den Hut vom Kopf, eher, weil ihm heiß war, als, weil er Aurica Höflichkeit erweisen wollte. Er strich sich die seitlich gescheitelten Haare in die Stirn, um sie zu mustern, ohne, dass es ihr sehr auffiel, was es ihr anscheinend trotzdem tat.
Um ihr weiterhin möglichst wenig Zeit und Beachtung zu schenken, begann Vadim, von Auricas Aussage zur Fummelei an seine Koffer erinnert, das Gepäck in ein Zimmer zu verladen.
Als er das erledigt hatte, kehrte er wieder zurück in den Raum, in dem die Tische, Aurica und der schnurrbärtige Inhaber standen und setzte sich auf den Stuhl, auf dem er schon vorhin Platz genommen hatte.
Die beiden Anderen schienen offenbar nicht davon auszugehen, dass er sich einem nächsten Gespräch mit ihnen entziehen würde und begannen daher ein Solches.
"Sie scheinen mir recht bitter. Was ist der Grund?", fragte Aurica direkt.
Vadim brach der Schweiß aus. Was sollte er ihr antworten? Er griff instinktiv nach seinem Oberkopf, weil er dort den Hut erwartete, den er sich tiefer ins Gesicht zu rücken gedachte. Da der Hut nicht vorhanden war, aus dem Grund, dass er ihn abgelegt hatte, um teils Aurica seinen Respekt zu verdeutlichen, war seine Aktion unnütz und er tat so, als wolle er einige Strähnen glätten, die vom Rest abstanden.
Endlich fiel ihm ein Grund ein, den er nennen konnte, um nicht sagen zu müssen, dass es wegen Aurica persönlich war.
"Ich habe heute einige unangenehme Dinge durchleben müssen, über die ich optimalerweise nicht zu sprechen gedenke.", sagte er gleichförmig.
"Interressant. Das klingt in der Tat spannend. Sehr gerne würde ich mehr über die unangenehmen Dinge in Erfahrung bringen, die ihnen heute geschehen sind und über die sie leider leider nicht zu sprechen gedenken.", quäkte der Inhaber mit dem Schnurrbart, der im Übrigen niemand anderes war als Josef Männlein, weshalb das Café auch den Namen Männlein trug.
"Wie bereits gesagt, über jene Vorfälle möchte ich nicht sprechen, so Leid es mir auch tut. Ich fordere aufdringlich, dass Sie Beide nicht weiter dazu Fragen oder Sonstiges stellen.", meinte Vadim in bedauerndem Tonfall. Er ließ seinen Blick zwischen Herrn Männlein und Aurica hin- und herwandern.
"Nun gut. Um ihnen den Tag nicht mit diesen Themen schwerer, sondern mit der Bekanntschaft meines werten Herrn Inhaber leichter zu gestalten, würde ich vorschlagen, dass sich dieser vorstellt."
"Josef Männlein", piepste der schnauzbärtige Inhaber stolz.
"Äh... Karl... ähm... Wenzeslaus... Stähler. Angenehm.", sog sich Vadim Stelyr seine Zweitnamen aus den Fingern.
"Angenehm, Herr Stähler. Aurica kennen Sie ja bereits." Herr Männlein nickte zufrieden.
"Angenehm, Herr Stähler. Es freut Uns Beide, Ihre Bekanntschaft zu machen. Meinen Nachnamen brauchen sie nicht zu nennen. Alle nennen mich einfach Aurica.", fügte Aurica hinzu. Für einen Moment schien sie zu überlegen.
Schließlich sagte sie: "Naja, vielleicht wäre es doch einheitlicher, wenn wir uns alle nur beim Vornamen nennen. Mit Josef tue ich das schließlich auch."
Josef Männlein nickte zustimmend. Er fragte quiekend: "Wäre dies für Sie in Ordnung, Herr Stähler?"
Vadim sah sich verunsichert um. "Äh... Nun ja, Sie, Herr Männlein, will ich gern mit Josef anreden und sie können mich auch mit Freude... äh... mit Vornamen anreden... Nur..."
"Nur ich darf Sie nicht Vaclav nennen." Ihr Lächeln umspielte wieder Auricas Lippen.
"Vaclav? Warum Vaclav?", fragte Vadim ehrlich verwirrt.
"Sie sagten doch, Sie hießen mit Zweitnamen Wenzeslaus. Würden Sie mir erlauben, bei der Anrede auf ihren Nachnamen zu verzichten, würde ich Sie liebend gerne mit einer... ähm... tschechischen Koseform anreden."
Vadim wusste nicht recht weiter. Eigentlich wollte er es ihr nicht verbieten. "Wenn Sie wollen, dann nennen Sie mich so."
Auricas Lächeln dehnte sich um einige Millimeter. "Ich danke dir für die Erlaubnis."
Vadim versuchte, zurückzulächeln, um sich ein "Gern geschehen" ersparen zu können, doch es wollte nicht wirklich werden und sein Mund wurde nur noch schmaler und steifer.
"Bemüh dich nicht erst um ein Lächeln. Ich weiß doch gewiss, dass du dies nur aus Eigennutz tust. Streng dich lieber an, dir eine der vielen Speisen auf der Karte auszusuchen und das nötige Geld herauszurücken, um nach der offenbar langen Reise nicht zu verhungern." In Auricas gefällige Stimme mischten sich Spuren von kokettem Trotz.
Vadim befolgte stumm und froh über eine Pause des Gesprächs ihren Rat und begann, sich die Karte durchzulesen.
Als er bestellt hatte und Aurica in der Küche verschwunden war, wandte sich ihm Herr Männlein mit erstaunlich ernsthaftem Gesichtsausdruck zu.
"Die politische Lage wird sich schon in Bälde extremst zugespitzt vorfinden.", sagte der plötzlich quiekend.
"Wie meinst du das?" Vadim verstand nicht.
"Vermutlich ein Krieg. Die großen Regionen, Sprachfamilien und Ethnien wollen unabhängig werden!", näselte Josef Männlein noch immer quiekend.
"Da dürftest du Recht haben." Sein Gegenüber begriff die Lage.
"Absolut! Ich befürchte sehr Übles!"
"Ja."
"Tatsächlich."
"Meinst du, die Kaiserkrone wäre in Gefahr?"
"Ich meine, sie wäre es."
"Du meinst, sie wäre es."
"In der Tat."
"Vielleicht jedoch...", begann Josef gewichtig und lehnte sich mit gesenktem Blick tiefer in die gepolsterte Lehne, :"ist es auch von Vorteil, dass der Krieg kommt. Die Mehrheit heißt ihn willkommen."
Das Essen kam.
Vadim nahm sich das Besteck, bezahlte und aß den Teller leer.
Es entstand wieder eine Diskussion über Politik.
Vadim und Josef Männlein stellten abermals fest, die Lage für Österreich-Ungarn sei vielleicht tatsächlich sehr ernst.
Da das Schicksal es offenbar so wollte, kam es schließlich zu einem Themenwechsel. "Josef, könntest du mir bitte Rat in einer äußerst persönlichen Angelegenheit geben?", fragte Vadim mit gedämpfter Stimme.
"Worum handelt es sich denn bei der Angelegenheit, die offenbar sehr persönlich ist?"
"Es handelt sich um diese Tasche." Vadim deutete mit dem Zeigefinger auf die große lederne Aktentasche.
Josef kniff die Augen zusammen. Er sah sich die Tasche genauer an. Plötzlich schien ihn eine großartige Erkenntnis zu überkommen. "Heureka!", quiekte er, "Ich hab's! Diese Tasche gehört meinem Bruder, das schwöre ich! Ich verstehe. Du wurdest doch bestimmt von einem recht zwielichtig erscheinenden Mann dafür bezahlt, dieses Stück unbeschadet nach Wien zu bringen, stimmt's? Dort drin befindet sich nämlich ein Betrag, den mir mein Bruder zahlen wollte, bevor er sich... nun ja... duelliert."
Vadim nickte entgeistert. Er war sprachlos. "Dieser gedrungene, magere, glattrasierte Mann mit tiefer Stimme ist dein Bruder?"
"Ja! Er heißt Otto Männlein!", quäkte Josef Männlein stolz.
"Unglaublich." Vadim schüttelte den Kopf.
"Wieso findest du diese reale Tatsache unglaublich?" Josef schaute beleidigt an seiner rundlichen Statur hinab.
"Nicht wichtig, wieso. Ich gebe dir jetzt jedenfalls die Aktentasche mit dem Betrag als Inhalt."
"Hab hoffentlich einen guten Schlaf und beehr uns bald wieder!" Herr Männlein schloss die Tür. Vadim schaute mit einer Spur Skepsis durch die verglaste Tür, wie er sich wieder an den Tresen begab, um mit Aurica zu plauschen.
Schließlich wandte er sich seinem Bett zu und lud daneben den Kram ab, den er nicht hierhergebracht hatte. Er setzte sich auf die Kante, faltete die Hände auf die Beine gestützt und sah sich um, um das Zimmer besser wahrnehmen zu können. Eine Minute geschah nichts.
Dann wurde die Tür aufgerissen und eine Person kam derart stürmisch herein, dass Vadim sie erst erkennen konnte, als sie die Türöffnung wieder geschlossen und sich der unwirsche Mensch gerade vor ihm aufgestellt hatte, um ihm etwas mitzuteilen. Es war Aurica.
"Vaclav! Es lässt verlauten, in diesem Zimmer befänden sich Spinnentiere! Ich werde sie beseitigen und dafür sorgen, dass diese Unannehmlichkeit umgehend ausgemerzt wird." Sie nahm sich einen Besen und begann, damit im Schrank herumzufuchteln.
Vadim sprang auf. Er neigte dazu, ihr den Besen aus der Hand zu reißen und die Spinnen eigenhändig zu töten, doch er war unachtsam und durch seine Geste kam Aurica aus dem Gleichgewicht. Sie ließ den Besen los und wurde von ebendiesem zu Boden geschlagen.
Stille.
Es schien, als hätte sie Probleme, zu atmen und müsse sich gegen die Ohnmacht und große Schmerzen wehren. "Das Korsett!", rief sie nach Luft ringend, was dies erklärte. Sie wiederholte: "Das Mieder!"
Vadim zögerte keine Sekunde. Es ging um Leben und Tod. Er befingerte die Schleife ihres Korsetts und hievte Aurica auf sein Bett.
"Vielen Dank." Sie schenkte Vadim wie schon mehfach am Tag ihr besagtes liebreizendes Lächeln, wozu sie in diesem Augenblick wirklich einen Grund hatte.
"Schon in Ordnung. Jetzt gehen Sie aber hinaus und das mit den Viechern übernehme ich!" Doch ehe Vadim aufspringen konnte, um ihr ausdrücklich die Tür offen zu halten, ging das Licht mit einen Klackenden Geräusch aus, er vernahm das rascheln von Röcken, die auf den Boden glitten und fand sich in den Armen der Bediensteten wieder.
Anspruchsvolle Schreibweise
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